Stakeholder-Dialog – Gesprächsführung
Bedürfnisse von Stakeholdern im Dialog effektiv ermitteln
Ausgehend vom ersten Artikel zum Stakeholder-Management, in dem ich über Stakeholder-Analyse Rahmen des Projektmanagements geschrieben habe, widme ich mich nun der Fortsetzung des Stakeholder-Managements: dem Stakeholder-Dialog. Dazu biete ich in diesem Artikel einen Gesprächsleitfaden an, den Sie praxisnah anwenden können und der eine gute Unterstützung bei der Beziehungsarbeit bietet.
Stakeholder-Analyse ist ja schön und gut, doch wie kommen Sie an die Informationen, die für die Analyse grundlegend sind?
Wozu dient der Stakeholder-Dialog?
Zur Erinnerung: Das Stakeholder-Management (SHM) bzw. das Management von Interessengruppen sorgt dafür, dass alle Personen, Personengruppen und Organisationseinheiten identifiziert werden, die
- das Projekt beeinflussen
- am Projekt zu beteiligen sind und/oder
- von dem Projektergebnis betroffen sein werden bzw. sich betroffen fühlen.
Im Dialog sollen
- Interessen
- Erwartungen
- Bedürfnisse
- Anforderungen
- Sorgen, Nöte, Ängste
- Beziehungsgeflechte und Abhängigkeiten
- Wissensbereiche
- Haltung gegenüber dem Projekt
- Macht und
- Einfluss
dieser Personen, Personengruppen und/oder Organisationseinheiten erfasst und so berücksichtigt werden, dass sie optimal zum Projekterfolg beitragen. Dazu werden laut PMBOK-Guide (Projekt-Management-Bibel des Project Management-Institutes PMI) folgende Prozesse zu durchlaufen:
- Stakeholder (SH) identifizieren
- Stakeholder-Management planen
- Managements des Stakeholder-Engagements
- Fortlaufende Beobachtung und Steuerung des Engagements
Wann findet Stakeholder-Dialog statt?
Der Dialog findet vor und während des gesamten Projektablauf statt, selbstverständlich mit ganz unterschiedlicher Intensität.
- Prozessschritt 1 – SH identifizieren
Stakeholder sind möglichst vollständig zu erfassen und im ersten Dialog Interessen, Erwartungen, Bedürfnisse, Anforderungen, Sorgen, Nöte, Ängste und – soweit möglich – Ihren Macht- und Einflussbereich kennenzulernen und zu hinterfragen. Dabei erfährt man nebenbei viel über Beziehungen zu anderen Personen und Gruppen und eventuellen Abhängigkeiten. Aus diesen Informationen sind weitere Stakeholder zu identifizieren. - Prozessschritt 2 – Planung des SHM
Hier ist kaum Dialog mit SH zu finden. Es geht um die Projektteam-interne Auswertung von Informationen, die man aus dem Dialog erhält. - Prozessschritt 3 – Management des SH-Engagements
Der Dialog wird im Projektverlauf immer wieder neu aufgegriffen. Zum einen, um Kontakt zu halten und die Beziehung zu pflegen, zum anderen um Selbstverpflichtung der SH zu prüfen bzw. zu stärken, aber auch bestimmte Diskrepanzen auszuräumen, Probleme zu lösen und Freiräume auszuhandeln, die das Erreichen der Projektziele sicherstellen. Der Dialog stellt auch sicher, dass Sorgen und aufkommende Risiken frühzeitig besprochen werden, um frühzeitig Auswege auszuarbeiten.
- Prozessschritt 4 – Beobachtung und Steuerung des SH-Engagements
Dieser Schritt ist eine Projektteam-interne Kontrollfunktion, die zur Vorbereitung des nächsten Dialogs dient. Dialog findet hier nur sehr begrenzt statt.
Es bleibt festzuhalten, dass für den Dialog insbesondere die Prozessschritte 1 und 3 von großer Wichtigkeit sind, um mit Stakeholder so in Kontakt zu sein, dass realistische Projektziele gesetzt und erreicht werden können.
Alle im Stakeholder-Dialog gewonnen Erkenntnisse sollten schriftlich festgehalten werden, wie z.B. in dieser Tabelle:
Wie ist der Stakeholder-Dialog zu führen?
Eine bewährte Herangehensweise bietet die Gesprächsführung mit Anleihen aus dem Verkaufsgespräch. Denn dort sind viele Kniffe eingebunden, die helfen, psychologischen Bedürfnisse des Gesprächspartners zu berücksichtigen. Die Vorteile:
- Es entsteht ein Gespräch mit echtem Austausch (Dialog eben).
- Durch sinnvolle Fragestellungen werden viele Bedürfnisse des Gesprächspartners ermittelt.
- Aktives Zuhören wird praktiziert.
- Missverständnisse werden früh erkannt.
- Gegenseitiges Verständnis entsteht.
- Vertrauen bildet sich.
- Beide Seiten können offen über alle wichtigen Aspekte eines Projektes sprechen.
- Die Begegnung findet auf Augenhöhe statt.
- Gegenseitige Wertschätzung werden möglich, auch wenn unterschiedliche Interessen verfolgt werden.
Die Beziehung zum Stakeholder wird vital, denn sie kann wirksam helfen, Interessen, Anforderungen und Bedürfnisse in klar formulierte Erwartungen umzuwandeln. Das ist wirksame Beziehungsarbeit.
Vor vielen Jahren habe ich in einem Verkaufsseminar erfahren dürfen, wie man das Gespräch nicht nur wirksam mit Fragen gestaltet, sondern wie man sich dazu auch passende Notizen macht. So wurde empfohlen, sich einen gewissen Fragenablauf einzuprägen und durch Abkürzungen entsprechend zu dokumentieren. Hier ein Beispiel:
- offene Frage stellen – Abkürzung O
- geschlossene Frage stellen – Abkürzung G
- Warum-Frage stellen – Abkürzung W
- Paraphrasieren (Gehörtes zusammenfassen) – Abkürzung P
Diese Frageformen finden Anwendung auf 3 Bereiche, die für ein besseres Verständnis des Gesprächspartners unbedingt wichtig sind:
- Wertungsfrei Situation und Herausforderungen des Gesprächspartners ermitteln, die Ursachen die der Gesprächspartner sieht und die Gefühle, die das bei ihm/ihr auslöst.
- Bedürfnisse des Gesprächspartners, seine/ihre Motivation und die Ziele, die sich für ihn/sie daraus ergeben.
- Konsequenzen ermitteln für den Fall, dass das Problem nicht gelöst wird, und gegebenenfalls empathisch ansprechen.
Über diesen Weg gelingt es, möglichst alle relevanten Bedürfnisse, Erwartungen, Sorgen, Nöte und Ängste zu identifizieren und daraus gemeinsam die Anforderungen für das Projekt abzuleiten. Das ergibt dann theoretisch die folgende Tabelle, die man im Gespräch unauffällig abarbeitet.
In den dazu entsprechenden Dialogübungen fand ich heraus, dass mich die Schreiberei der Abkürzungen vom Gespräch selbst und damit von dem Beziehungsaufbau sehr ablenkt. So habe ich ein Formular entwickelt, das mir hilft, mich nur noch auf das Wesentliche zu konzentrieren.
Sozial kompetente Gesprächsführung wird hier sichtbar in ein Instrument gegossen und über die Methode der Dialogführung erfahrbar. Für beide Seiten. Das ist wirksame Beziehungsarbeit.
In den freien Zellen schreibe ich das auf, was mir mein Gesprächspartner, z.B. einem Stakeholder, antwortet. Für jedes Thema, das er/sie benennt, verwende ich eine neue (Doppel-)Spalte. Die Anzahl der Zeilen reicht vollkommen aus, um alle Aspekte der vorherigen Kreuztabelle abzudecken. Stichworte genügen. Vorteile:
- Der bewährte Gesprächsablauf bleibt durch die Abkürzungen immer im Blick.
- Jedes Thema wird aufgenommen und kann dann nach und nach abgearbeitet werden, ohne etwas zu vergessen.
- Die Schreiberei der ganzen Abkürzungen fallen weg.
Mit dem Stakeholder-Dialog zu Projektanforderungen
Nach der Erfassung aller relevanten Bedürfnisse, Erwartungen, Sorgen, Nöte und Ängste kann im Schritt 4: Lö + Ei (Lösung & deren Eigenschaften) gemeinsam mit dem Stakeholder an Projektanforderungen gearbeitet werden, die schriftlich festzuhalten sind.
Hierbei werden die Vorteile (Vo), der daraus erwachsene Nutzen (pN) und der Wert (pW) der Lösung festgehalten.
Abschließend werden alle Gesprächsergebnisse zusammengefasst (∑) und nächste Aktionen (Ak), noch zu erarbeitende Angebote (Ang) und Vereinbarungen (Ver) niedergeschrieben, womöglich auf einem weiteren Dokument.
Sind die Projektanforderungen klar formuliert, können sie viel leichter in die Projektziele und den Projektablauf einfließen. Die Wahrscheinlichkeit, dass das Engagement des Stakeholders hoch ist und die Projektziele akzeptiert und unterstützt werden, steigt wesentlich. Es ist jedoch nicht selbstverständlich, dass es im Projektverlauf so bleibt. Deswegen:
Bleiben Sie in Kontakt mit ihren Stakeholdern und praktizieren Sie wirksame Beziehungsarbeit. Bauen Sie auf den Gesprächsprotokollen auf. Lassen Sie den Gesprächsfaden nicht abreißen.
Formular für den Stakeholder-Dialog
Ausführlicheres Material mit mehr Funktionen stellen wir in unseren Workshops für Beziehungsarbeit mit Stakeholdern zur Verfügung, in denen vor allem die Gesprächsführung selbst geübt wird.
Wirksame Beziehungsarbeit für vitale Unternehmen©
Warum diese Philosophie so wichtig ist
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