Werte im LEX-Lab

Werte im LEX-Lab

Werte im LEX-Lab und Werte für Teamentwicklung

Der Artikel „Werte im LEX-Lab und Teamentwicklung“ hat eine längere Vorgeschichte, die mich zu meiner ersten Publikation geführt hat. Betrachtung von Werte-Systemen für Teamentwicklung. Die Gliederung:

  1. DIe Publikation – Gelebte Werte im LEX-Lab
  2. Historie und Zukunft der LEX-Labs
  3. Gelebte Werte im LEX-Lab und Teamentwicklung

Die Publikation — Gelebte Werte im LEX-Lab

Gelebte Werte im LEX-Lab - SL Organisationsentwicklung

1. Die Publikation — Gemeinsam Zukunft gestalten

Ich freue mich, dass endlich unsere gemeinsame Publikation erschienen ist! Sie befasst sich mit der Gestaltung der Zukunft unter dem Titel GeZu 4.0 und der Etablierung von Lern- und Experimentierräumen (LEX-Labore, kurz LEX-Labs). Mit dem Buch bzw. dem Download steht nicht nur ein Konzept zur Verfügung, sondern auch unzählige Praxisberichte, wie wir LEX-Labs erfolgreich realisiert, durchgeführt und abgeschlossen haben. Im Rahmen der Verstetigung dieses Formats berichten die Autoren auch über die Qualifizierung zum GeZu 4.0 Lotsen. Das Buch schließt ab mit Handlungsempfehlungen, wie Sie selbst LEX-Labs in Ihrem Unternehmen erfolgreich etablieren und verstetigen können, um den vielfältigen Wandel unserer Zeit zu meistern. Natürlich sind wir dabei gerne behilflich. Hier geht’s zum PDF-Download: Download - SL Organisationsentwicklung

2. Historie und Zukunft unserer LEX-Labs

Wir hatten bereits einige Artikel über LEX-Labs in diesem Blog hinterlegt, auf die ich hier verweise:

  1. GeZu 4.0 und Digitalisierung
  2. LEX-Lab – Einladung und Agenda
  3. LEX-Lab Wertschöpfungsketten

automatisierter Angebotsprozess - LEx-Lab Organisationsentwicklung + Wertschöpfungsketten

Unser LEX-Lab „Automatisierter Vertriebsprozess” ist mittlerweile abgeschlossen. Die teilnehmenden Unternehmen haben mit danach z.T. Kontakt aufgenommen zum ZD.BB, dem Zentrum Digitalisierung Landkreis Böblingen. Dort werden sie sich im nächsten Schritt im KI-Labor wiederfinden, um weiterhin an den Herausforderungen der Digitalisierung zu forschen und für sich Lösungen zu erarbeiten, die im Betrieb funktionieren.

 

Nun zu meinem Artikel, der sich mit dem Thema „Werte im LEX-Lab“ beschäftigt und den Bogen zur Teamentwicklung schlägt. Der Artikel unten ist im Gegensatz zur Buchversion in einigen Aspekten weiter ausgeführt und präzisiert. Ich wünsche viele Erkenntnisse beim Lesen.

 

3. Gelebte Werte im LEX-Lab und Teamentwicklung

Welche Werte im LEX-Lab gelebt und geschätzt wurden

Ich kann mich noch recht gut an die ersten Online-Treffen Anfang Juni 2020 erinnern zur Vorbereitung der LEX-Labs. Wie bei jeder Gruppe, mussten sich die Teilnehmer und Teilnehmerinnen erst einmal kennenlernen und sich gegenseitig beschnuppern.

Grundlegende Modelle der Teamarbeit

Und wie bei jeder Team-Bildung durchlaufen die Mitglieder einer Gruppe dabei verschiedene Phasen:

  • Vom ersten vorsichtigen Beschnuppern und Kennenlernen bei der ersten Kontaktaufnahme,
  • über das mehr oder weniger dominante Abstecken von Claims, um eigene Interessen einzubringen und sich zu positionieren,
  • hin zur regelbasierten Organisation der Gruppe, um ein vernünftiges Miteinander zu gewährleisten,
  • darüber hinaus zu mehr Effektivität und Effizienz zu gelangen,
  • um letztlich zu wirklich abgestimmter Teamarbeit zu gelangen, die Einzelpersonen mit ihren jeweiligen Stärken in geeigneten Rollen einbindet.
Tuckman et. al. - SL Organisationsentwicklung

Abb. 1

Diese Phasen kann man dem Phasenmodell der Gruppenentwicklung (Abb. 1) nach Bruce Wayne Tuckman (ehemals Psychologe und Organisationsberater an der Ohio State University) entnehmen, der berühmten Team-Uhr. Daneben gibt es ein weiteres Modell, das ich zur Beschreibung von Teamentwicklungsprozessen heranziehen möchte:

 

9 Levels

Abb. 2

Die Rede ist von den 9 Wertesystemen (Abb. 2 – 9 Levels Value Systems), die Menschen in ihrer natürlichen persönlichen Entwicklung mehr oder weniger durchlaufen. Jedes Wertesystem entsteht dabei durch die Lebensherausforderungen, die die Umwelt an eine Person stellt, angefangen bei kleinen Kindern, über die Adoleszenz bis weit hinein ins Erwachsenenalter. Jedes Wertesystem bietet den Vorteil, neue Herausforderungen des Lebens durch erweiterte Erkenntnisse besser meistern zu können. Das gilt auch für Teams.

Die Wertesysteme im Überblick

Ausschnittsweise möchte ich hierzu kurz die wichtigsten Wertesysteme vorstellen, die jeweils nach Farben benannt sind und sich ebenso auf Teams und Organisationen anwenden lassen:

Purpur

In diesem Wertesystem sind u. a. folgende Werte wichtig: Schutz, Geborgenheit, Bindung, Zugehörigkeit, Einklang, Brauchtum, Gastfreundschaft, Respekt von Tabus.

Was wichtig für kleine Kinder ist, ist offenbar auch bei Erwachsenen in einer neuen Umgebung wichtig. Zunächst wollen wir in einer neuen Gruppe einen gewissen Schutz haben, bevor wir uns öffnen, wollen uns gegenseitig vorsichtig beschnuppern, auch eine gewisse Gastfreundschaft ausüben und mögliche Tabus respektieren, um nicht vorzeitig anzuecken und uns womöglich ungeschützt Angriffen ausgesetzt zu sehen.

Rot

Dieses System beinhaltet u. a. folgende Werte: Durchsetzungsvermögen, Selbstvertrauen, Mut, Dominanz, gewinnen wollen, Ansehen und Respekt.

Wie bei trotzigen Kindern und bei Jugendlichen entsteht das Bedürfnis, sich raus zu wagen, um sich eine eigene Position zu erkämpfen und Claims abzustecken. Bei der Bildung von Gruppen ist es nicht anders. Schließlich geht es darum, das Gruppengeschehen maßgeblich mitbestimmen zu können. Daher probiert man doch am besten mal aus, was man sich trauen kann und wer sich das vielleicht gefallen lässt (das sogenannte Storming nach Tuckman). Denn es ist reizvoller mitbestimmen zu können, anstatt nur das fünfte Rad am Wagen zu sein.

Doch gegenseitiges Dominanzverhalten führt leider dazu, dass das Zugehörigkeitsgefühl Einzelner gestört sein kann. Ein ständiges Gegeneinander führt unter Umständen zu Chaos.

Blau

Es braucht weitere Werte, die die Gruppenarbeit fördern: Stabilität, Ordnung, Normen und Regeln, Disziplin, Zuverlässigkeit, Geduld, Gerechtigkeit und Hierarchie.

Genauso wie Kinder und Jugendliche langsam aber sicher den Wert von Regeln erkennen, wissen Erwachsene ebenso deren Bedeutung für eine gedeihliche Zusammenarbeit zu schätzen. Daher werden Sie nach einer gewissen Zeit des sich gegenseitigen „roten” Testens sehr schnell auf die Etablierung von vernünftigen Regeln pochen, z. B. Kommunikationsregeln. Darin liegt u. a. das Norming, das Tuckman beschreibt. Man einigt sich evtl. auch auf einen Teamleiter oder eine Teamleiterin, sollte diese(r) noch nicht feststehen. Führen oder Folgen? Das wird hier festgelegt – zumindest für einen gewissen Zeitraum.

Wie wir aus Erfahrung wissen, kann die Etablierung von Regeln zur Selbstbeschäftigung und Überregulierung führen. Was ist dann ein guter Gegenimpuls, um das Ziel der Gruppe nicht aus dem Auge zu verlieren? Das nächste Wertesystem.

Orange

Der Sinn und Zweck einer Gemeinschaft liegt oft in der Erreichung eines gemeinsamen Ziels. Um das sicherzustellen, werden nun weitere Werte wichtig, u. a. Produktivität, Erfolg, Verantwortung, Ziel-, Kunden- und Prozessorientierung, unternehmerisches Denken, Wettbewerb und Innovation.

Junge Erwachsene wissen oft um die Wichtigkeit einer guten Ausbildung, eines guten Berufseinstiegs oder der Wettbewerbsfähigkeit im Sport. Sie entwickeln daher Zielstrebigkeit und Ausdauer. Auf sich allein gestellt kann ein hohes Leistungsniveau über einen langen Zeitraum hinweg allerdings zur Erschöpfung führen – insbesondere dann, wenn man sich um viele verschiedene Dinge selbst kümmern muss.

Das ist oft der Grund dafür, dass sich eine spezielle Form der Gruppe bildet, die sich Aufgaben aufteilt und zur gemeinsamen Leistungserbringung wieder zusammenführt: Ein Team wird geboren. Teammitglieder verstehen, dass es Kollaboration fachlich unterschiedlicher Disziplinen braucht, die allerdings auf orangefarbener Selbständigkeit aufbaut. Dazu werden „grüne” Werte wichtig.

Grün

Mit „grünen” Werten können Synergien realisiert werden: Teamarbeit, Kollaboration, gegenseitige Ergänzung, Offenheit, Toleranz, Wertschätzung, Zuhören, Dialog, Einfühlungsvermögen, Fairness, Partizipation, Feedback und Reflexion.

Ab diesem Stadium sollte es gelingen, dass eine Gruppe zum Team wird und wirklich die Leistung erbringt, die Synergien ermöglicht. Es sei allerdings angemerkt, dass das nicht nur Harmonie bedeutet. Im konstruktiven Streit wird Konsens gesucht.

Differenzierung + Integration

Abb. 3

Schließlich wird es Teammitgliedern zunehmend möglich, Begrifflichkeiten und Situationen immer stärker zu differenzieren, aber auch gleichzeitig zu integrieren [Abb. 3, König, Schattenhofer 2006]. So werden Widersprüche im Team immer besser ausgebügelt und Konflikte gelöst. Die Zentrifugalkräfte von Ich-Bedürfnissen (Rot und Orange) und die Integrationskräfte von Wir-Bedürfnissen (Purpur, Blau und Grün) drohen immer weniger in der Auflösung des Teams oder im harmonischen Wärmetod zu münden, so dass eine Zielerreichung verbessert wird.

Gelb

Werte, die auch für Lern- und Experimentierlabore außerordentlich wichtig sind, sind u. a. Multiperspektivität, Vernetzung unterschiedlicher Parteien bei hoher persönlicher Autonomie, lebenslanges Lernen, Integration von Wissen und Kompetenz, Kreativität und geistiges Wachstum.

Dieses Wertesystem ist insbesondere bei Erwachsenen höheren Alters anzutreffen, da die lange Lebenserfahrung gelehrt hat, die einzelnen Wertesysteme zu schätzen, situationsgerecht auszubalancieren und widerspruchsfrei miteinander zu verknüpfen.

Deswegen sind die Werte dieses Levels meiner Meinung nach gut geeignet für das Reforming von Teams, wenn es darum geht, ein Team neu zusammenzusetzen oder bestehende Aufgaben neu auszurichten und zu verteilen.

Hinweis: Es ist sehr wichtig, dass man bei Menschen nicht aufgrund von äußerlichen Erkennungsmerkmalen auf ein Wertesystem schließt, das diese Menschen angeblich leben. Vielmehr ist es immer wichtig zu fragen WARUM ein Mensch ein bestimmten Verhalten zeigt. Erst die Beantwortung dieser Frage erlaubt einen Rückschluss auf Werte, die einer Person wichtig sind.

Geeignete Werte für Lernen und Experimente

Es ist wirklich verblüffend, was die Forschungsergebnisse von Clare W. Graves (ehemals Prof. für Psychologie und Unternehmensberater und Entdecker der Wertesysteme) aussagen in Bezug auf wahrgenommene Freiheit und dem Kreieren von Neuheiten:

  1. Von Blau über Orange und Grün bis hin zu Gelb sinkt die autoritäre Einstellung kontinuierlich ab (von 4 auf 1).
  2. Dagegen steigt über die genannten Wertesysteme die Wichtigkeit von „Kreieren von Neuheiten“ kontinuierlich an (von 1 auf 4).
Graves' Forschung

Abb. 4

Abbildung 4 frei interpretiert: Je weniger autoritär das Umfeld ist und damit bestimmte Denkweisen empfiehlt und Denkverbote aufstellt, desto wichtiger werden Kreativität und Entfaltung. Oder anders herum: Wenn man ein kreatives Umfeld aus betrieblichen Gründen benötigt, nämlich um in einem dynamischen und komplexen Markt überlebenswichtige Innovationen hervorzubringen, ist zu überlegen, wie man Denkschranken reduzieren und autoritäre Strukturen abbauen kann. Das gilt auch für LEX-Labs.

Auch wandelt sich die Einstellung zu Fehlern. Werden diese in einem autoritären, blauen System möglichst vermieden oder vertuscht, weil sie bestraft werden könnten, Scham verursachen und die Suche nach Schuldigen gang und gäbe ist, heißt man sie in „grünen” und „gelben” Wertesystemen eher willkommen, weil man aus ihnen lernen und sie abstellen kann. „Grüne” und „gelbe” Werte eignen sich besonders gut fürs Experimentieren in LEX-Labs.

Übrigens: In jedem Wertesystem gibt es eine eigene Innovationskultur [Krumm, Buchholz 2018].

9 Levels und Team-Entwicklung im LEX-Lab – grundlegende Annahmen

Die 9-Levels-Autoren [Krumm, Wittig 2020] beschreiben, dass jedes Wertesystem eine eigene Teamkultur entwickelt in Bezug auf Mitarbeiter, Führung, Fähigkeiten, Strukturen und Prozesse. Ich möchte das als Ergebnismodell einer Teamentwicklung bezeichnen, was hier aber nicht weiter ausgeführt werden soll.

Auf dem Weg zum Ergebnismodell durchläuft jede Teamkultur jedoch eine ganz eigene Teamentwicklung. Die Entwicklungsphasen nach Tuckman sind demnach in jedem Wertesystem unterschiedlich ausgestaltet (Abb. 5). Die Dynamik der Teamentwicklung ist damit unterschiedlich. Hinweis: Selbstverständlich gibt es Durchmischungen von Wertesystemen. Hier werden nur die stereotypen Reinformen von Wertesystemen behandelt.

Teamentwicklung nach Teamkulturen - SL Organisationsentwicklung

Abb. 5

Im Rückblick auf unser LEX-Lab und aus der Perspektive meiner eigenen „gelb-grünen” Werte habe ich für mich festgestellt, dass die Werte-Systeme für Teamleiter und Teamleiterinnen ein brauchbares Vorgehensmodell darstellen, um anhand der oben genannten Werte bewusst Impulse zur Team-Entwicklung zu geben (Abb. 6), auch wenn – wie oben erwähnt – die Werte-Systeme eines Teams eine eigene Kultur ausbilden. Beide Modelle haben aus meiner Sicht ihre Berechtigung und ergänzen sich gegenseitig.

Vorgehensmodell Teamentwicklung mit Werten - SL Organisationsentwicklung

Abb. 6 – Vorgehensmodell – Tuckman, 9 Levels und Differenzierung/Integration

Damit erfährt das Phasenmodell zur Teamentwicklung von Tuckman eine aus meiner Sicht stimmige Aktualisierung. Es eignet sich meines Erachtens nach für die Leitung von Gruppen, deren Teamzusammensetzung und Teamkultur nicht von Anfang an klar sind. Es bietet passend zu den Wertesystemen eine Abfolge von Themen, die eine Leitung als Impulse zur Teamentwicklung geben kann:

Gelb

Zusammensetzung des Teams passend zur Aufgabe, zum Sinn und zur Bedeutung des Projektes vor dem Hintergrund der Umweltanforderungen an das Projekt bzw. Unternehmen, Einbeziehung und Vermittlung von Mission, Vision und Leitbild der Organisation, Klärung der Projektziele.

Purpur

Für Zugehörigkeit und psychologische Sicherheit sorgen, sich als Teammitglied geschützt einbringen zu können.

Rot

Möglichkeit zur Profilierung durch die Darstellung von Wissens- und Könnensdomänen der Teammitglieder, Anerkennung dieser Domänen und Inaussichtstellung, vorhandenes Wissen einbringen zu können.

Blau

Sorge um hilfreiche Strukturen im Team: Etablierung von Regeln für Kommunikation, Besprechungen, Protokollführung, Ordnung, Sauberkeit, Ablage usw. zur Sicherung einer notwendigen Mindestqualität der Zusammenarbeit, mit der Absicht, Chaos oder Willkür zu begrenzen.

Orange

Einerseits (relativ nah am Norming) Beibehaltung bewährter Regeln bei gleichzeitiger Flexibilisierung dieser Regeln — also „lean” Regeln.

Andererseits (relativ nah am Performing) zunehmende Ziel- statt Aufgabenorientierung, Führung mit Zielen, Nutzung von Anreizsystemen und weitere Steigerung der Effizienz. Das alles geht einher mit einer zunehmenden Selbstständigkeit der Teammitglieder.

Grün

Förderung von Kooperation bzw. Kollaboration, ggf. darüber hinaus (zur Erreichung von Höchstleistung), Stärkung der jeweiligen Teamrolle eines Teammitglieds, Stärkung von Rollenbewusstsein und Rollenflexibilität, Etablierung von Kommunikationstechniken, Feedback und gegenseitiger Wertschätzung.

Hinweis: Andere Modelle wie z.B. das Team Performance Modell nach Drexler/Sibbet, das wir zur Teamentwicklung heranziehen, besetzen diese und weitere Themen ebenfalls – allerdings in anderer Reihenfolge, um Teamdynamik anders zu kanalisieren und zu nutzen. Außerdem kann ein Teamleiter diese Impulse nur so weit zur Reife bringen, wie die Teammitglieder das Verständnis dafür entwickelt haben (wie ich weiter unten noch ausführen werde).

Unsere eigene LEX-Lab-Dynamik

In unserem LEX-Lab fiel mir zu unserer eigenen Entwicklungsdynamik folgendes auf:

  • Wir haben einige Phasen recht zügig durchlaufen. Dabei prüfte vermutlich jeder bewusst oder unbewusst auf Basis eigener Gruppen- bzw. Teamerfahrungen, ob unsere persönlichen Bedürfnisse im LEX-Lab erfüllt wurden hinsichtlich Sicherheit, Zugehörigkeit, Strukturen, Normen, Leistungsentfaltung, Anerkennung, Umgangsformen usw. Auf der Basis dieser vermuteten inneren Checklisten, hat sich sicherlich jeder von uns in die Teamentwicklung eingebracht, Einfluss genommen und jeweils persönliche Interessen vertreten.
  • Unser LEX-Lab setzte sich aus Mitgliedern unterschiedlicher Unternehmen und Abteilungen zusammen. Es war damit eine Sache von offenen und verdeckten Verhandlungen, welche Teamkultur sich entwickelt. Es gab Geselligkeit, offen oder unterschwellig dominantes Positionieren, Regelungen, Überregulierung, Erfolgsdruck, Rollenklärungen, Reibung und Kündigungen. Alles ganz normal.
  • Man konnte viele verschiedene gelebte Werte im LEX-Lab in Aktion sehen, denn wir sind alle unterschiedlich. Für manche ist Ordnung und Struktur erkennbar wichtig, für andere eine gute Positionierung und Eigendarstellung, für andere wiederum echter Dialog, Zuhören, Verständnis und Konsens.

Hinweis: Wir Menschen sind alle unterschiedlich. Einzelne Gruppenmitglieder durchlaufen die Wertesysteme im Rahmen der Team-Bildung so weit, wie sie sich diese in ihrem eigenen Leben haben bereits erarbeiten können – abhängig von den Herausforderungen, denen sie sich bisher (schicksalhaft) stellen mussten. Beispiele: Hat also jemand bisher kaum eigenverantwortlich Erfolg organisieren müssen, dann kennt diese Person orangefarbene Werte vielleicht von anderen Personen, aber hat sie sich noch nicht selbst zu eigen machen können. War jemand bisher nicht auf echte Teamarbeit angewiesen, so wird kaum Erfahrungsfundus vorhanden sein, wie Teamarbeit zu gestalten und differenziert auszubalancieren ist.

Gelebte Werte im LEX-Lab

Zurück zu unserem LEX-Lab bei GeZu 4.0: Zur Verwunderung vieler Menschen müssen selbst erfahrene und gut ausgebildete Männer und Frauen als Berater bzw. Teamentwickler sich dem Prozess der Teamentwicklung stellen und können ihn nicht immer beschleunigen. Zumal wir in einer Netzwerkstruktur arbeiten, in der sich Teammitglieder ohne eine Teamleitung als Helfer und Helferinnen gleichwertig begegnen. Das braucht Zeit.

Mitte Februar 2021 haben wir – die LEX-Teilnehmer und -Teilnehmerinnen der ersten Stunde (Betriebspartner) – nach etwas weniger als einem Jahr gemeinsamer Zusammenarbeit an einem Workshop mitgewirkt, in dessen Verlauf danach gefragt wurde, welche Werte für uns Teilnehmer und Teilnehmerinnen in den LEX-Labs wichtig waren. Hier die Ergebnisse dazu:

Emotionale Sicherheit

Sich gefahrlos einbringen zu können, ohne fürchten zu müssen, ausgelacht, belächelt, ignoriert, niedergemacht oder sonst wie negativ behandelt zu werden, war den Teilnehmenden mit am wichtigsten. Das zeigt, wie wichtig uns Toleranz, Respekt und Wertschätzung sind. Nur dazu braucht man auch ein passendes kollegiales Umfeld, z. B. Grün. Das war meiner Meinung nach gegeben.

Zugehörigkeit

Der Wert der Zugehörigkeit ist elementar. Neben dem professionellen Austausch war uns auch Geselligkeit wichtig. In diesem Zusammenhang wurden Begriffe wie Lebensfreude, Business-Familie und Community genannt – gewissermaßen ein berufliches Zuhause. Das könnte eine purpurne Einfärbung haben. Aber auch „gelbe” Vernetzung spielt eine Rolle, weil diese darin besteht auch anders denkende Kollegen und Kolleginnen aufgabenorientiert und auf Augenhöhe einzubinden.

Vertrauen

Dieser Wert war von uns ebenso als wichtig erachtet worden,

  • nämlich das Vertrauen darin, dass der persönliche Mut außergewöhnliche Ideen zu äußern, nicht bestraft wird.
  • Auch Trainer- und Beraterwissen anderen zur Verfügung zu stellen, ohne dass es missbraucht wird, verlangt Vertrauen.
  • Interessant ist, dass dazu im Gegensatz der Begriff der Risikofreude Verwendung fand, was ein Hinweis auf Unternehmertum und damit auf orangefarbene Werte sein mag. Ganz legitim, wenn man daran denkt, dass wir Freiberufler und Freiberuflerinnen uns am Markt durchsetzen müssen, um Geld zu verdienen.

Soziales und gesellschaftliches Engagement

Schließlich möchte ich noch darauf eingehen, dass einige von uns Beratern und Beraterinnen ihr soziales und gesellschaftliches Engagement hervorhoben, das darin besteht, mittelständischen Unternehmen durch Lern- und Experimentierräume ein Erlebnis und ein Weiterkommen zu ermöglichen. Dieses Weiterkommen besteht darin, durch Vernetzung, Offenheit, Dialog, Kreativität, Mut zum Experiment, Scheitern und letztlich durch Lernen die Zukunftsfähigkeit des eigenen Unternehmens zu verbessern.

Der Integrationskraft, die darin liegt, soziale Systeme wie z. B. mittelständische Unternehmen in der Zukunftsgestaltung zu unterstützen, können „gelbe” Werte zugrunde liegen: Vision, Integration von Menschen und unterschiedlichen Denkweisen, sowie lebendiges Wachstum. Sie schaffen persönliches Wachstum und sind identitätsstiftend. Wäre das nicht auch etwas für Ihr Unternehmen?

Handlungsempfehlungen für Werte im LEX-Lab

Wenn Sie in Ihrem Unternehmen zu mehr Lernen und Innovationskraft durch Lern- und Experimentierlabore kommen wollen, empfehlen wir folgende Aspekte zu berücksichtigen:

  1. Sorgen Sie möglichst für eine Reduzierung von hierarchischem Denken, Ideologien und Denkverboten.
  2. Unterstützen Sie den Teambildungsprozess z. B. durch die Nutzung von Impulsen aus den Wertesystemen (9 Levels), bleiben Sie aber ergebnisoffen. Denn jedes Team kommt, abhängig vom bestehenden Umfeld, zu einer eigenen Lösung bzw. Kultur, die einem Lern- und Experimentierraum mehr oder weniger nützt.
  3. Schaffen Sie den Wert „emotionale Sicherheit“, so dass sich Menschen gerne durch Ideen einbringen wollen, ohne Spott oder Häme befürchten zu müssen. Das hilft, die Werte „Vertrauen“ und „Zugehörigkeit“ zu stärken, wie auch die folgenden Punkte.
  4. Sorgen Sie für eine Fehlerkultur, in der es möglich ist, ohne Scham über Irrtümer und Scheitern zu sprechen, um daraus lernen zu können. Suchen Sie keine Schuldigen.
  5. Üben Sie echten Dialog [Senge, 1990] – eine die Diskussion ergänzende, sehr wirkmächtige Kommunikationstechnik aus dem „grünen” Wertesystem, um Unternehmen, Abteilungen und Teams ein besseres gegenseitiges Verstehen in Lern- und Experimentierräumen zu ermöglichen.
  6. Geben Sie der Kombination und Integration von Ideen eine Chance. Hier hilft der Konsent (mit „t“ statt „s“) aus dem „gelben” Wertesystem, eine Entscheidungsform der Holokratie [Robertson, 2007].

Alle Handlungsempfehlungen lassen sich umso leichter umsetzen, je mehr die bestehende Unternehmens- und Abteilungskultur das unterstützt. Das Umfeld bestimmt also die Kultur in Lern- und Experimentierlaboren. Eine Veränderung der Kultur hin zu mehr offenem Austausch, Lernen und sich ergänzender Kreativität braucht Zeit, Geduld und externe Hilfe.

Quellenangaben:

  • König, Oliver; Schattenhofer, Karl (2006): Einführung in die Gruppendynamik, 6. Aufl. 2012, Carl-Auer
  • Krumm, Rainer; Buchholz, Christian (2018): Innovationskultur – in 30 Minuten wissen Sie mehr, 2018, Gabal
  • Krumm, Rainer; Wittig, Sonja (2020): Teamkultur – in 30 Minuten wissen Sie mehr, 2020, Gabal
  • Robertson, Brian J. (2007): Leading-Edge Organisation: Einführung in Holacracy, PDF im Internet, CC license
  • Senge, Peter M. (1990): Die fünfte Disziplin, 6. Auflage 1998, Klett-Cotta

 

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