Praxisfall Nachfolge — Wechsel des Managements
Die Bedeutung weicher Faktoren wird unterschätzt
Üblicherweise kommen beim Thema „Praxisfall Nachfolge“ und damit den Themen Unternehmensübergabe folgende Aspekte zur Sprache: Unternehmenswert, Bilanz, Finanzierung, evtl. Alterssicherung und Erbrecht, auf jeden Fall Eigentumsübergang, Vertragsrecht, Steuerrecht und zeitliche Planung.
Doch was häufig vergessen wird — sozusagen unter der Wasseroberfläche bleibt — sind unserer Erfahrung nach folgende Themen, die oft als weiche Faktoren abgetan werden, obwohl sie erfolgskritisch wirken: Emotionen, Anvertrauen eines Lebenswerks, Machtkonstellationen, Interessenkonflikte, Vertrauen in die Lernfähigkeiten der Nachfolger/innen, Neuaufbau der Kundenbeziehungen, Zukunftsperspektive der Abgebenden, Loslassen können, schrittweiser Abschied aus Kommunikationsgefügen, Wandel von Werten und Unternehmenskultur usw.
Eisbergmodell — viele Aspekte der Nachfolge werden zu wenig berücksichtigt
In diesem Artikel „Praxisfall Nachfolge“ gehen wir auf unsere Erfahrungen ein, die wir im Laufe der Jahre gesammelt haben und die wir zukünftigen Kunden zur Verfügung stellen. Im Fokus stehen gerade die sogenannten weichen Faktoren.
Bestimmungsfaktoren für den Praxisfall Nachfolge
Alle unsere Fälle haben unterschiedliche Ausgangssituationen, die sich nach folgenden Kriterien unterscheiden lassen:
- Zeitlicher Ablauf
Vorgänger und Nachfolger verfügen über eine Übergangszeit, in der sie gemeinsam wirken können – entweder vor, nach oder während der Übergabezeit.
Vorgänger und Nachfolger verfügen über keine Übergangszeit (nahtloser Übergang) oder es gibt sogar eine Zäsur durch eine längere Vakanz der Geschäftsführungsposition. - Interne oder externe Nachfolge
Nachfolge intern durch Familienangehörige oder Mitarbeiter,
Übernahme durch eine externe Führungskraft
oder Übernahme durch ein externes Unternehmen. - Geplante oder ungeplante Nachfolge
Nachfolgen ergeben sich nicht nur aus Altersgründen,
sondern leider auch durch Burnout, Krankheit und Todesfall.
In jedem Praxisfall Nachfolge haben diese Faktoren erheblichen Einfluss auf das Gelingen der Übergabe bzw. eine gelingende Übernahme. Und jede Nachfolge hat damit ihre Besonderheiten! Je länger die Zeit der Übergabe andauert, desto höher ist die Chance, dass gerade die weichen Faktoren angemessen berücksichtigt werden können. „Speziell die Emotionen und die Beziehungsgeflechte werden in vielen Fällen unterschätzt — auf beiden Seiten!“ [Rainer Krumm: Unternehmensnachfolge, Gabal 2021].
Generationswechsel gleich Wertewandel?
Nicht immer ist der Praxisfall Nachfolge ein Generationswechsel, der einen Wertewandel mit sich bringt, aber doch recht häufig. Was sind die Gründe dafür?
In den Fällen, in denen wir eine Nachfolge dauerhaft betreuen durften, war die Nachfolge durch Familienangehörige ein Generationswechsel verbunden mit einem Wertewandel:
Die Nachfolger sind im Gegensatz zur Vorgängergeneration (Nachkriegs- und Wiederaufbaugeneration) häufig studierte Leute im Alter von 35 bis 45 Jahren. An den Hochschulen hat diese Generation Hausaufgaben und Studienarbeiten deutlich teamorientiert ausarbeiten müssen. Die Gleichheit der Studenten untereinander machte eine Begegnung auf Augenhöhe notwendig. Das ist im elterlichen Betrieb dagegen oftmals nicht der Fall. Dort gibt oft es eine natürliche Hierarchie, die patriarchal geprägt ist.
Aber auch extern besetzte Nachfolgen durch jüngere Manager bringen neue Werte ins Unternehmen, insbesondere wenn sie aus größeren Unternehmen mit anspruchsvollen Führungsstandards kommen.
Innovationsrückstand braucht neues Führungsverhalten
Hinzu kommen im Generationsvergleich wesentlich rasantere Innovationszyklen und z.T. branchenfremder Wettbewerb. Die Digitalisierung erfährt eine atemberaubende Beschleunigung, die Mittelständler dazu zwingt, ihre IT-Intelligenz drastisch zu erhöhen. Diente die IT in den letzten Jahren noch dazu, das eigene Geschäft schneller zu machen, so kann eine mangelnde IT-Fähigkeit nun zum Ausschluss aus dem Marktgeschehen führen. Das ist unsere Erfahrung in unserem LEX-Labor für Digitalisierung. Wurden früher noch IT-ferne Mitarbeiter allmählich abgelöst, droht das heute den Unternehmen selbst — egal wie exzellent das angestammte Produkt- und Dienstleistungsportfolio auch sein mag.
Innovationsrückstand
Ein teilweise beträchtlicher Innovationsrückstand kann von der Geschäftsleitung nicht mehr allein geschultert werden. In vielen Unternehmen muss das durch die Geschäftsleitung z.T. selbst verschuldete innovationsfeindliche Verhalten bei vielen Unternehmensangehörigen aufgebrochen werden. Das verlangt nach einer veränderten Führungs- und Teamarbeit, um deutlich mehr Mitarbeiter in Innovationsprozesse einzubeziehen. Insofern wandeln sich die Anforderungen an die Führungskräfte enorm. Gleichzeitig bekommen viele Führungskräfte aber nicht die Zeit, entsprechend zu reifen. An Vorbildern fehlt es vielerorts.
Führungsverhalten
Patriarchales oder autoritäres Führungsverhalten wird daher zunehmend abgelöst. Nicht nur weil es an seine Grenzen kommt, sondern weil es die jüngere Nachfolgegeneration nicht praktizieren will oder auch gar nicht kann (was von Nachteil ist). Zudem kommen neue Arbeitskräfte auf den Markt, die nicht gutväterlich bzw. gutmütterlich geführt werden wollen. Methodisches Führungs- und Management-Know-How ist gefragt, um die Legitimität der Führungsarbeit vor der Stammbelegschaft unter Beweis zu stellen. Denn die häufig tiefen Beziehungen und das darauf gegründete gegenseitige Vertrauen zwischen altem Management und Mitarbeitern sind bei Nachfolgern oft nicht vorhanden und müssen einen adäquaten Ersatz finden, z.B. durch ein Führungsverhalten mit sozialkompetenter Methodik.
Unsicherheiten in Führungsfragen
Was Nachfolger oft von uns wissen wollen
Ich habe es im vorherigen Absatz schon anklingen lassen. Es gibt häufig Unsicherheiten in Führungsfragen, weil die Menge der Erfahrungen noch überschaubar ist. Es macht nämlich einen Unterschied, ob man im Zweifel noch einmal in der Familie nachfragen kann, oder ob man wirklich komplett auf sich allein gestellt Entscheidungen durchfechten und mit den Konsequenzen des Führungsverhaltens leben muss. Folgende Unsicherheiten erleben wir oft im Praxisfall Nachfolge:
- Ist unsere Belegschaft bereit für gemeinsame Zielerarbeitung (wie an der Uni oder im Konzern) oder brauchen die etwa immer wieder eine Ansage, wo es langgeht?
- Darf ich jetzt autoritär sein? Stehe ich dann wie meine Eltern als autoritär dar?
- Wie, um Himmels willen, bekomme ich unsere Leute selbständig?
- Was gehört alles zum Thema Führung, Teamarbeit, Organisation von Kollaboration — und was nicht?
- Darf ich jetzt fordern, dass die Abteilung Überstunden macht? Oder demotiviert das die Mitarbeiter?
- Wie kann ich das, was mir als Nachfolger wichtig ist, so effizient und effektiv umsetzen, dass ein Rädchen ins andere greift?
- Auf welchem Weg kann ich nach meinen Werten führen, ohne dass das sofort im Widerspruch steht zu bisherigen Führungsgewohnheiten?
- Wie löse ich die schwelenden Konflikte zwischen verschiedenen Parteien im Unternehmen, damit wir uns endlich wieder mit ganzer Kraft unseren Zielen widmen können?
- Mit 90% der Mitarbeiter kommen wir gut zurecht, aber wir haben einige schwierige Fälle. Was kann man da machen?
- Ich habe klar die Richtung vorgegeben, aber die Mitarbeiter rennen immer noch zum alten Management. Und ich kann nichts dagegen tun?
- …die Liste der Fragen ließe sich unendlich fortführen…
Klarheit, Schlüssigkeit und Wirksamkeit herstellen
Zurück zu sozialkompetenten Methoden: Gerade in diesem Punkt haben viele Nachfolger, die wir betreuen, Aufholbedarf. Nicht, dass sie die Methoden nicht kennen, aber die verschiedenen Führungs- und Managementtechniken sinnvoll und wirksam aneinanderzureihen, das ist die Herausforderung. Hinzu kommt die zweite Führungsreihe, auf die dieses Know-How übertragen werden muss. Der erweiterte Führungskreis sollte die Methodik kennen, aktiv aufgreifen und widerspruchsfrei praktizieren, so dass ein dichter Teppich gewoben wird, der das ganz Unternehmen zielorientiert und sozial kompetent stützt. Ein guter Mix aus methodischer und beziehungsorientierter Führung, die zielorientierte Freiräume schafft, sorgt für mehr Innovationskraft. Die Forschung ist in diesem Punkt ganz eindeutig: Eine Reduzierung autoritären Verhaltens schafft mehr Kreativität und damit auch Neuheiten. Die Leute trauen sich, ungewöhnliche Ideen zu kommunizieren und gemeinsam weiterzuentwickeln. Aber dann kommt schon die nächste Frage: Wie halte ich den ganzen Laden zusammen?
In jedem Praxisfall Nachfolge gehen wir auf diese Unsicherheiten ein und schaffen Klarheit, Wirksamkeit und eine schlüssige Abfolge von Führungs- und Managementinstrumenten. Wir vermitteln zudem zwischen Parteien, die um die richtige Lösung fürs Unternehmen ringen, und dabei nicht weiterkommen. So lösen wir verhärtete Fronten auf, wenn die Beteiligten einer Mediation zustimmen.
Neuausrichtung und Transformation
Jede Nachfolge ist eine Mischung aus Beibehaltung von Altbewährtem und neuen Ansätzen. Was wir im Praxisfall Nachfolge empfehlen, ist eine behutsame Weiterentwicklung des Bestehenden unter ausdrücklicher Wertschätzung des Bisherigen. Denn das Bisherige hat sich ja offenbar als erfolgreich erwiesen. Gäbe es sonst eine Übergabe?
Unabhängig von der Nachfolge braucht jedes Unternehmen nach einer gewissen Zeit wieder eine Straffung, eine Verschlankung von Prozessen, die Abschaffung von Ineffektivem, neue Innovationsinitiativen. Der Praxisfall Nachfolge kann (muss nicht) eine Gelegenheit bieten, eine Straffung vorzunehmen. In diesem Fall helfen wir unseren Kunden Zukunftsszenarien aufzubauen, Machbarkeit zu prüfen und dann den Prozess anzustoßen. Dabei hilft uns unser Innovations- bzw. Senkbleiprozess. Unter Einbeziehung aller Abteilungen wird dieser Prozess transparent gestaltet und schafft Vertrauen. Oft ergeben sich daraus Projekte, Initiativen und Maßnahmen zur Modernisierung der betrieblichen Abläufe.
Und genau hierfür wird ein unterstützendes Führungsverhalten benötigt, wie ich es oben beschrieben habe. Der Praxisfall Nachfolge setzt sich immer aus einer Vielzahl von Projekten, Initiativen und Maßnahmen der unterschiedlichen Organisationsfelder zusammen, um Weiterentwicklung widerspruchsfrei und nachhaltig zu gestalten.
Praxisfälle
Nachfolgend will ich unsere Erfahrung im Bereich Unternehmensnachfolge im Überblick darstellen. Aus Gründen der Vertraulichkeit nenne ich keine Firmennamen. Die Tabelle zeigt die verschieden Facetten der Nachfolgen. Jeder Praxisfall verfügt über seine ganz eigenen Besonderheiten, die hier ebenfalls nicht benannt werden können. Ein gutes Vorgehen in einem Fall ist keine Blaupause für den nächsten Fall.
Folgende Erkenntnisse lassen sich festhalten:
- Die Nachfolger mussten allesamt viel Zeit investieren, um sich mit letzter Konsequenz über die Funktionsweise Ihres Marktes klar zu werden. Gelegentlich wurde ein Innovationsrückstand entdeckt.
- Es stellt eine besondere Herausforderung dar, die gewonnenen Erkenntnisse mit gleicher Konsequenz an die Führungskräfte so zu transportieren, dass diese ebenfalls eine präzise Peilung erreichen — erst recht als Führungsteam.
- Noch anspruchsvoller wird es, wenn Hochleistung erzeugt werden muss, und daher auch die Mitarbeiter konsequent und aktivierend in die Peilung einzubeziehen sind.
- Das ist nur möglich, wenn alle bestehenden Konflikte gelöst werden.
- Es war in jedem Fall notwendig, transparent und verständlich die Stellhebel für eine systematische Personal- und Organisationsentwicklung zu vermitteln. Das haben wir ausnahmslos über den Werkzeugkasten der „9 Levels“ erreicht. Die 9 Levels sind neun Werte-Systeme, nach denen man eine Organisation systematisch ausrichten kann. Dieser Werkzeugkasten zusammen mit unserem Youi© (animiertes Männchen) ist vollständig.
- Es braucht neben Seminaren und Workshops ausnahmslos Coaching: Entweder Einzel- oder Team-Coachings. Oft können nur so individuelle Verständnisschwierigkeiten überwunden und zusätzliche Verhaltensmöglichkeiten in schwierigen Situationen erarbeitet werden.
Fehler vermeiden
Abschließend noch ein paar Tipps (angelehnt an Rainer Krumm: Unternehmensnachfolge, Gabal 2021), um den Praxisfall Nachfolge gegen Misserfolge abzusichern:
- Gehen Sie die Nachfolge nicht zu spät angehen.
Mindestens 5 Jahre Vorbereitungszeit unter der Einbeziehung des Nachfolgers sind sinnvoll. Die erste Planung sollte mit der Planung der 2. Lebenshälfte der Übergeber beginnen. - Ziehen Sie Experten hinzu.
Man ist in eigener Sache oft betriebsblind, insbesondere wenn es um die Vererbung des eigenen Lebenswerks geht. Kommt es zu Meinungsverschiedenheiten, hilft oft eine neutrale Anlaufstelle, die sich mit den weichen Faktoren auskennt und das erweiterte Umfeld von Emotionen, versteckten Erwartungen und Beziehungsgeflechten im Auge behält. - Formulieren Sie Ihre Ziele klar.
Wer soll was, wann, wie, wo, warum und wozu übernehmen? Entwickeln Sie Visionen und Szenarien für den Praxisfall Nachfolge, um die beste Alternative wählen zu können. - Absolute Planbarkeit ist eine Illusion.
Der Prozess der Übergabe und Nachfolge dauert lang. Es kann sich viel ändern, weil viele Parteien Einfluss nehmen werden. Der Prozess ist daher dynamisch. Planen Sie gemeinsam die wichtigen Meilensteine. - Vernachlässigen Sie nicht die weichen Faktoren.
Sie sind in vielerlei Hinsicht erfolgskritisch und maßgeblich. Unsere Wünsche, Träume und Bedürfnisse sind wichtige Einflussfaktoren der individuellen Lebensplanung. Und die Lebensplanung sagt uns, wie Übergabe und Nachfolge abzulaufen hat. Nicht andersherum. - Beachten Sie Werte und Kultur.
Unsere Werte bestimmen unsere Lebensplanung und unsere Kultur. Somit sind reale Kulturen und Werte bei einer Übergabe und Nachfolge zu beachten. Wertschätzen Sie das vorhandene, auch wenn Veränderungen notwendig sind. - Seien Sie offen für Neues.
Begrüßen Sie als Übergeber neue Ideen und heißen Sie sie willkommen. Aus einem großen Bündel auch ungewöhnlicher Ideen können Sie diejenigen herausfiltern, die zukunftsweisend sind und im Wettbewerb eine echte Neuerung darstellen. - Hinterfragen Sie Geschäftsmodelle und Prozesse.
Wo gibt es Optimierungsbedarf? Jeden Monat zusammen mit Mitarbeitern einen Prozess auf Wirksamkeit und Flexibilität zu prüfen hilft, ungute Gewohnheiten loszuwerden, neue Handlungsoptionen zu entdecken und eine Innovationskultur zu etablieren. - Vermeiden Sie im Übergang den Verlust von Innovationskraft.
Sorgen Sie dafür, dass in der Zeit der Übergabe, die möglicherweise von einem Führungsvakuum geprägt ist, die Innovationspipeline gefüllt bleibt. - Sorgen Sie als Übergeber für Zukunftsszenarien
als würden Sie diese noch selber stemmen müssen. Das sorgt für Ausrichtung der Mitarbeiter, senkt das Führungsvakuum, sorgt für ausreichend Innovationskraft und steigert den Unternehmenswert. - Sie brauchen als Übergeber eine persönliche Perspektive für die Zeit danach.
Kein Übergeber zieht sich wirklich zurück und lässt los, wenn es für die Zeit nach der Übergabe keine lebenswerte Alternative gibt, den Tag angenehm und erfüllt zu verbringen. - Bleiben Sie als Nachfolger dran. Nach der Nachfolge ist vor der Nachfolge.
Sorgen Sie jederzeit für gute Strukturen, gute Dokumentation und selbständige Mitarbeiter, so dass Sie Ihr Unternehmen jederzeit weitergeben können, z.B. nach einem Unfall oder einer schweren Erkrankung. Das steigert den Unternehmenswert.
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